Beschreibung
Der römische Dichter Ovid (43 v. Chr. – um 18 n. Chr.) berichtet in seinen „Metamorphosen“ von Flügeln, die der Bildhauer und Erfinder Dädalus fertigte, um zusammen mit seinem Sohn Ikarus von Kreta zu fliehen; für Ikarus, der die Mahnungen des Vaters ignorierte, weder der See noch der Sonne zu nahe zu kommen, endete die Flucht mit dem tödlichen Absturz ins Meer.
Der griechische Mythos von Ikarus steht noch heute für gegensätzliche Sinnbilder und Metaphern: für Wagemut und Erfindergeist des Menschen, für technischen Fortschritt – umgekehrt aber
auch für die Folgen eines unreflektierten Fortschrittsoptimismus. Er dient als fruchtbare Bildfindung zur Selbsterfahrung des Künstlers und zur Konkretisierung unaufhebbarer Antagonismen. Die Ausstellung versucht im historischen Rückblick, die unterschiedlichen Rezeptionsweisen des Mythos im geteilten Deutschland herauszustellen, der hier wie dort als Metapher für die in den politischen Zuständen der Zeit liegenden Ideologien und Widersprüche eingesetzt wurde und der überdies auch als Hintergrundfolie der Visualisierung eigener Utopien oder kritischer Reflexion diente. Auch jüngste, nach 1990 im vereinten Deutschland entstandene Arbeiten sind vertreten und belegen die neue, durchaus zeittypische Aktualität des Mythos, für die etwa die Verarbeitung der Ereignisse des 11. September steht. Nahezu 100 Künstler aus Ost und West sind mit ihren Werken in der Ausstellung vertreten.